Interview mit Iwan Galkin von den Dohren Wild Farmers

11. Juli 2022
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Iwan Galkin (links) im Interview mit baseball-bundesliga.de

Vor Spielbeginn zwischen Dohren und Paderborn am vergangenen Samstag, 9.7.2022 stand Wild Farmer Pitcher Iwan Galkin unserer Redaktion für ein kurzes Interview zur Verfügung. Wir sprachen mit Iwan über seine Karriere, seine verbleibenden Ziele, der WBC Qualifikation in Regensburg und seinem Wunschgegner für ein mögliches Finale um die deutsche Meisterschaft. Das Interview führte baseball-bundesliga.de Redakteur Marcel Eßers.

baseball-bundesliga.de: Bei der Vorbereitung auf dieses Interview bin ich auf einen Artikel aus 2016 gestoßen – mit der Überschrift „Pitcher schneidet sich die Hand kaputt“. Magst du kurz erklären, was damals passiert ist?

Iwan Galkin: Ja, diesen Artikel kenne ich sehr gut. Ich habe 2016 wegen meinem Studium in der 2. Bundesliga in Berlin gespielt. Kurz vor Saisonstart hatte ich eine Prüfung und musste mich entsprechend vorbereiten. Am Prüfungstag habe ich mich morgens mit einem Steakmesser verletzt. Anstelle der Universität führte mein Weg dann ins Krankenhaus. Es stellte sich heraus, dass bei dem Unfall der komplette Nerv im Daumen zerrissen wurde. Die Ärzte haben ihn dann wieder zusammengeflickt. Leider ist das Gefühl im Daumen nicht wiedergekommen. Es ist eine Verletzung, die mich mein restliches Leben begleiten wird.

baseball-bundesliga.de: Hatte die Operation Auswirkungen auf deine Funktion als Pitcher? Hattest du nach der Operation irgendwelche Einschränkungen bzw. hast du noch heute welche?

Iwan Galkin: Zum Glück ist der Unfall an der linken Hand passiert. Das ist ’nur‘ meine Fanghand. Am Anfang hatte ich natürlich dennoch Probleme. Weil der Daumen nicht trainiert war, erlitt ich einen Kapselriss. Aber später hat sich alles wieder eingespielt. Seither habe ich keine Probleme bzw. Beeinträchtigungen durch die Operation.

baseball-bundesliga.de: Kannst du bitte kurz den Verlauf deiner Baseball-Karriere beschreiben?

Iwan Galkin: 2002 habe ich mit Baseball bei den Berlin Roadrunners begonnen. Dort war ich lange aktiv und habe alle Jugend-, Junioren- und Herrenmannschaften durchgespielt. Diese Zeit war quasi der Grundstein für meine Baseball-Karriere. Darüber bin ich sehr dankbar. Bei den Roadrunners habe ich viel gelernt – sowohl sportlich als auch interkulturell.

Und dann wechselte ich in die 1. Bundesliga zu den Sluggers. Das Team ist gerade aus der 2. Bundesliga aufgestiegen. Leider waren wir in den ersten beiden Jahren sehr erfolglos. Immerhin haben wir immer die Playdowns gerockt und sind dadurch nicht abgestiegen. Es war eine sehr lustige Zeit und unser Team war eine starke Familie.

Aufgrund des ausbleibenden Erfolgs entschied ich mich für einen Wechsel zu den HSV Stealers. Dort habe ich dann drei Jahre gespielt. In dieser Zeit war ich auch im Ausland aktiv und habe die Winterzeit in Australien verbracht – einmal Adelaide, einmal Melbourne. Das war phänomenal, weil ich das Jahr komplett durchgespielt habe. Ohne Pause. Ohne Wintertraining. Dazu ein komplett anderes Land und eine andere Kultur. In meinem ersten Jahr in Australien haben insgesamt 15 Bundesliga-Spieler aus dem Norden und Süden dort gespielt. Auch mein bester Kumpel von den Stealers Eric Krysiak. Diese Zeit in Australien hat mich auch gelehrt, wie ich meine Baseball-Karriere richtig angehen muss und ich mich in der Bundesliga richtig etabliere.

Nach dieser Zeit musste ich eine wichtige Entscheidung für meine berufliche Zukunft treffen. Ich entschied mich für das Studium und ging zurück nach Berlin. Dort habe ich dann für die Sluggers in der 2. Bundesliga gespielt. Es war ein sehr prägendes Jahr, da es die stärkste Saison in der 2. Bundesliga war. Jede Mannschaft hatte zwei Importspieler. Das Niveau war ein Mix aus 1. und 2. Bundesliga. Einer unserer Gegner hatte einen Pitcher aus Kalifornien, der mit einem Speed von 95 mph pitchte. Ich war positiv überrascht, wie taff unsere Junioren-Spieler bei dem Spiel aufgetreten sind. Sie kannten bislang ja nur Pitches mit einer Geschwindigkeit von maximal 85 mph.

Beim berüchtigten Farmers-Cup habe ich den Dohrenern versprochen: „Jungs, wenn ihr den Aufstieg in die 1. Bundesliga schafft, dann bin ich bei euch.“ Die dachten damals, dass ich meine Aussage nicht ernst meinte und lachten darüber. Ein halbes Jahr später hat mich dann der Dohrener Trainer an mein Versprechen erinnert. Und so bin ich dann für die nächsten zwei Jahre nach Dohren gekommen. In Dohren wird Baseball noch einmal ganz anders gelebt. Die Dohrener sind eine große Familie. Und damit meine ich nicht nur die Leute aus dem Verein. Die Wertschätzung ist hier sehr groß. Jeder grüßt dich, wenn du auf dem Weg zum Baseballplatz bist. Sie unterhalten sich mit einem direkt über Baseball, über das nächste Spiel und wünschen einem viel Glück. Am Spieltag sind sie dann alle im Ballpark – gefühlt ganz Dohren – und die Atmosphäre ist bombastisch. Das kann man nicht adaptieren.

Nach zwei Jahren kam dann mal wieder der Zeitpunkt für eine berufliche Entscheidung. Und das hat mich dazu bewegt wieder zurück nach Hamburg zu gehen und eine Saison bei den Stealers zu spielen. Während dieser Saison hatte ich eine schwere Verletzung am Ellenbogen und musste operiert werden. Erstmalig kam der Gedanke auf, ob diese Verletzung zu meinem Karriereende führt. Ich war erst 27 Jahr alt – das kann doch jetzt nicht vorbei sein. Eine Woche nach meiner Operation haben wir mit den Stealers gegen Solingen gespielt. Es stand 4:1. Unser Pitcher brach ein und ich meinte zu David: „David, ganz ehrlich, wechsel mich ein.“ Er tat es und ich habe härter geworfen als vor meiner Operation. Das war das Zeichen, dass meine Karriere noch nicht vorbei ist.

Und dann kam Corona. Die Saison wurde nach hinten verschoben. Keiner wusste, ob die Saison überhaupt stattfinden wird. Durch meine Kontakte habe ich erfahren, dass die polnische Liga spielt und so ging ich nach Polen. Ich habe in den vergangenen Jahren auch hin und wieder in Polen gespielt. In Breslau habe ich mich dann auf die Bundesliga-Saison vorbereitet. In dieser Phase fiel auch die Entscheidung zurück nach Dohren zu gehen. Ich wollte wieder mit meiner ‚Familie‘ spielen. Seitdem bin ich ein Wild Farmer.

Nach dem Interview überreichte Iwan Galkin (links) im Namen der Wild Farmers eine Ausgabe der Vereins-Chronik an Redakteur Marcel Eßers (rechts)

baseball-bundesliga.de: Du hast bereits in mehreren Teams gespielt, die in Großstädten ansässig sind (u. a. Berlin und Hamburg). Die Dohren Wild Farmers sind – laut einer bekannten deutschen Tageszeitung – der kleinste Bundesligist in Deutschland. Was unterscheidet die Dohren Wild Farmers von anderen Teams aus der Bundesliga?

Iwan Galkin: Der größte Unterschied ist die Atmosphäre. Wenn ein Spiel vorbei ist, dann ist in Dohren aber ‚Baseball‘ nicht vorbei. Hier lebt man Baseball. Die Wertschätzung ist sehr groß. Ich habe das bislang nirgendwo anders so empfunden. Natürlich gibt es auch hier Höhen und Tiefen. Aber auch in schlechten Zeiten sind die Dohrener füreinander da. So bin ich in diese Familie reingewachsen. Und so einfach würde ich da auch nicht wieder raus gehen. Ohne ein Versprechen abzugeben: Wenn ich irgendwann meine Karriere beende, dann wird es bei den Wild Farmers sein.

baseball-bundesliga.de: Du bist jetzt 30 Jahre alt. Gibt es noch persönliche Ziele für deine verbleibende Baseball-Karriere? Wenn ja, welche?

Iwan Galkin: Leider habe ich es in den Playoffs nie weiter als die Viertelfinal-Runde geschafft. Es wäre schon ein Traum, in dieser Phase mal die großen Teams richtig zu ärgern. Wir sind zwar immer der Underdog aber auch jedes Jahr ein Playoffs-Kandidat. Bloß das Erreichen der Playoffs darf nicht unser einziges Ziel sein. Ich will weiterkommen. Und das ist unser Ziel für die nächsten 3-5 Jahre.

baseball-bundesliga.de: Baseball ist in Deutschland nach wie vor eine Randsportart und entsprechend wenig in den Medien vertreten. Am Donnerstag wurde bekannt gegeben, dass Regensburg im September Austragungsort für eine der beiden Qualifikationsrunden für die WBC 2023 wird. Aus deiner Sicht ein wichtiger Schritt für die Bekanntheit von Baseball in Deutschland? Was müsste aus deiner Sicht ansonsten getan werden, um Jugendliche für den Sport zu begeistern?

Iwan Galkin: Als bekannt wurde, dass die WBC Qualifikation nach Regensburg kommt, da sind sofort alle WhatsApp Gruppen angegangen. Natürlich werden wir dort hinfahren und freuen uns darauf. Für die Bekanntheit von Baseball ist das aber ein bisschen zwiespältig, denn im Endeffekt sind die meisten Besucher eh Baseballkenner oder -spieler. Ein wichtiger Fortschritt für die Bekanntheit ist die Übertragung im Fernsehen. Hier fehlt nur noch etwas mehr Promotion. Die Hauptarbeiten müssen aber die Vereine leisten. Aus meiner Sicht befinden wir uns gerade in einer Phase, die entscheidet, ob Baseball bekannter wird oder ob alles so bleibt. Ich glaube, die meisten Menschen sind offen für etwas neues. Das liegt auch daran, dass sich im Fußball kaum etwas verändert. Und das ist definitiv die Chance für Baseball.

baseball-bundesliga.de: Wie schätzt du die Chancen für die deutsche Nationalmannschaft ein, dass sie die Hauptrunde für die WBC erreichen?

Iwan Galkin: Die Mannschaft ist gut aufgestellt. Super Potenzial. Zudem viele junge talentierte Spieler, die man im U23 Turnier in Mexiko gesehen hat. Ich hoffe, dass die jetzt herausragen und den alten Hasen nochmal das letzte Potenzial rauskitzeln. Dann haben wir Chancen. Aber wir müssen auch die richtigen Schritte und Strategien anwenden, wie z. B. Spieler- und Pitcherwechsel. Meine größte Hoffnung liegt in den jungen Spieler. Es ist Zeit, dass die das Ruder übernehmen.

baseball-bundesliga.de: Ausgehend davon, dass die Dohren Wild Farmers im Finale um die deutsche Meisterschaft 2022 stehen: Dein Tipp, wer ist der Gegner und warum?

Iwan Galkin: Mein Favorit ist Heidenheim. Vor drei Jahren haben wir in der 1. Runde gegen die gespielt. Und leider beide Spiele im 10. Inning durch Walk-Off verloren. Das war für uns damals eine Schelle, weil wir gemerkt haben, dass wir Chancen haben und die Großen ärgern können. Es wäre schon ein kleiner Traum für mich, wenn wir uns hierfür im Finale rächen könnten.

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Veröffentlich von: Matthias Slovig. Matthias Slovig bei kontaktieren