Interview mit Nadir Ljatifi von den Paderborn Untouchables

10. Juli 2022
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Nadir Ljatifi (links) im Interview mit baseball-bundesliga.de Redakteur Marcel Eßers (rechts)

In einem rund 30-minütigen Interview nach dem Doubleheader zwischen den U’s aus Paderborn und den Wild Farmers aus Dohren am Samstag, 9.7.2022 im Ahorn-Ballpark gibt uns Nadir Ljatifi, Shortstop bei den Untochables einen persönlichen Einblick über seine Zeit in den USA, über die nächsten Ziele seiner Baseball-Karriere und über seinen Wunschgegner in einem möglichen Finale um die deutsche Meisterschaft 2022. Das Interview führte baseball-bundesliga.de Redakteur Marcel Eßers.

baseball-bundesliga.de: Nadir, den meisten Baseball-Fans aus Deutschland ist dein Name bereits bekannt. Kannst du bitte dennoch kurz den Verlauf deiner Baseball-Karriere beschreiben?

Nadir Ljatifi: Ich komme aus Dortmund und dort sind die Menschen sehr fußballverrückt. Baseball ist dort nur sehr klein. Ich schätze, dass nur fünf Prozent der Menschen überhaupt Baseball kennen. Ich habe in Dortmund am Borsigplatz gewohnt — für viele sicherlich bekannt durch die BVB-Meisterfeiern. Ohne es zu wissen habe ich nur drei Minuten vom Baseballplatz entfernt gewohnt. Eines Tages war ich als 6-jähriger mit meinem Dad und meinem Bruder zum Fußballspielen im Höschpark, wo sich auch das Baseballfeld befindet. Wir haben an diesem Tag beim Baseball zugeschaut. Ich habe mich sofort dafür interessiert, weil es anders war als Fußball. Beim Baseball muss man viel mehr Sachen machen: Den Ball fangen. Den Ball werfen. Und den Ball schlagen, was total Spaß macht. Aber man muss auch flink sein und rennen können. Diese Vielseitigkeit hat mir sehr gefallen. Wir saßen auf der Tribüne und schauten zu, als uns der damalige Trainer der Dortmunder Oliver Görich — noch heute ein sehr guter Freund von mir — gesehen und angesprochen hat: „Hey, kommt doch mal runter und versucht es doch auch mal. Das macht Spaß.“ Wir dachten uns nichts weiter dabei, probierten es einfach mal und ich blieb dabei. Daraus entstand dann meine Story. Ich war sehr talentiert. Mein Wurf war kräftig, ich war flink auf den Füßen und bin an Bälle rangekommen, an die sonst keiner rankam. Im Alter von 8 Jahren wurde ich dann bereits zum ersten mal in die Schülerauswahl für NRW berufen. Das war schon sehr besonders, weil ich noch so jung war. Und dann ging es eigentlich auch sehr schnell vom Auswahlteam hin zur DBA, dann in die Nationalmannschaft und von dort in das Sportinternat in Paderborn.

Mein großer Traum war es eigentlich immer ein Baseball-Profi zu werden. Ich habe auf MLB-TV oft die Highlights der Yankees mit Derek Jeter und A-Rod angeschaut.

Für mich und die Leute drumherum war es sehr überraschend, als ich einen Profi-Vertrag erhalten habe. Ich bin mit 16 Jahren in die USA zu den Cincinnati Reds gereist und habe dort als jüngster Europäer jemals einen 5-Jahresvertrag unterschrieben.

baseball-bundesliga.de: Am 7. Juli 2014 hast du im Alter von 16 Jahren deinen Vertrag bei den Cincinnati Reds unterschrieben. Du warst zu diesem Zeitpunkt der jüngste Europäer mit einem Baseball-Profivertrag. Wie stolz bist du noch heute über diese Auszeichnung?

Nadir Ljatifi: Ja, da bin ich auch heute noch sehr stolz drauf. Ab und zu spreche ich da auch noch drüber — z. B. wenn ich die ganzen Jugendlichen trainiere. Ich erkläre denen dann, dass nichts unmöglich ist: „Ich habe es damals geschafft und ihr können das auch schaffen. Ihr müsst euch nur dahinterhängen. Und einfach Spaß dabei haben. Und natürlich viel Arbeit in euren Traum investieren. Mehr ist es gar nicht.“

baseball-bundesliga.de: Wie sehr hat deine Zeit in der Reds-Organisation deine Baseball-Karriere geprägt?

Nadir Ljatifi: Ich habe damals kein Wort Englisch besprochen. Das ganz System war für mich komplett neu, fremd und irgendwie auch ein bisschen erschreckend. Der Druck ist dort sehr groß, weil du quasi ein „Wertpapier“ bist, mit dem gehandelt wird. Und wenn du die Regeln nicht befolgst und viel Arbeit investierst, dann sitzt du ganz schnell im Flieger Richtung Deutschland. Zum Glück habe ich schnell Anschluß gefunden. Ich war ein bisschen kleiner und dünner als die meisten Spieler, die bereits 22, 23 oder 24 Jahre alt waren und dadurch etwas unterlegen. Aber ich glaube, dass ich meinen Job ganz gut gemacht habe. Ich habe sehr viel über Baseball und auch über mich selbst gelernt. Die Zeit hat mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Es war definitiv die geilste Zeit in meinem Leben. Das kann ich nicht anderes beschreiben. Dort habe ich so viele tolle Dinge erlebt und geschafft, die hätte ich nicht mal erträumen können.

baseball-bundesliga.de: Am Mittwoch hat Tim Fischer — Pitcher bei den Legionären aus Regensburg — im Alter von 17 Jahren einen Profivertrag bei den L.A. Dodgers unterschrieben. Für ihn beginnt jetzt eine spannende Zeit in den USA. Kannst du Tim ein paar Tipps mit auf den Weg geben?

Nadir Ljatifi: Ja, auf jeden Fall: Einfach dahinter hängen, immer auf die Coaches hören, immer jedem — auch wirklich jedem — zuhören. Vor allem auch den älteren Spielern aus Double-A, Triple-A und der Major League. Du musst wie ein Schwamm sein und alles aufsaugen — jede Information und jedes kleinste Detail.


baseball-bundesliga.de: Du bist jetzt 24 Jahre alt und noch weit von einem Karriereende entfernt. Welche Ziele hast du noch im Baseball? Könntest du dir grundsätzlich vorstellen noch einmal in den USA professionell Baseball zu spielen?

Nadir Ljatifi: Das kann ich mir auf jeden Fall vorstellen und habe auch bereits Angebote erhalten. Zudem gab es auch ein Angebot aus Japan, um dort zu spielen. Grundsätzlich würde ich in den USA noch mal spielen. Aber rückblickend würde ich es nicht noch mal im Alter von 16 Jahren machen. Es war damals für mich die Hölle, weil ich noch so jung war und dort niemanden kannte. Ich konnte kein Wort Englisch. Und ich musste mir meinen Platz gegen die ganzen älteren Spieler hart erkämpfen. Das war schon krass. Mein aktuell einziges Ziel ist es, mit Paderborn die deutsche Meisterschaft zu gewinnen. 2013 habe ich das bereits mit der Jugend geschafft. Und jetzt möchte ich es gerne noch einmal mit den Herren schaffen.

baseball-bundesliga.de: In der letzten Saison hat man dich bei den Punktspielen eher selten auf dem Platz gesehen. Was war los?

Nadir Ljatifi: Letzte Saison habe ich fast gar nicht gespielt. Ich habe eine Ausbildung zum Dachdecker gemacht und mich dort an der Bandscheibe verletzt. Und das hat mich das ganze Jahr vom Baseball abgehalten. Ich konnte wirklich gar nichts machen, nicht mal einen Ball fangen. Das hat mich sehr traurig gemacht. Aber umso glücklicher bin ich, dass ich jetzt wieder ohne irgendwelche Beschwerden spielen kann.

baseball-bundesliga.de: Werfen wir den Blick auf die aktuelle Saison: Ihr habt bereits sicher als Zweiter im Norden die Playoffs erreicht. In der ersten Playoff-Runde trefft ihr zum ersten mal in dieser Saison auf ein Team aus dem Süden (Gegner sind die München-Haar Disciples). In den letzten drei Jahren kam der deutsche Meister immer aus dem Süden. Wie stark schätzt du diese Saison den Süden im Vergleich zum Norden ein?

Nadir Ljatifi: Ich habe das Gefühl, dass man im Süden mehr Wert auf Baseball legt. Im Norden wird einfach mehr Fußball gespielt. Zudem ist der Süden stärker, weil dort mehr Flutlichtspiele stattfinden. Die spielen freitags und samstags und dafür keine Doubleheader. Das bedeutet, dass die mehr Zeit zwischen den Spielen haben um sich auszuruhen. Die Jungs können außerdem das vergangene Spiel noch einmal Revue passieren lassen, bevor sie am Folgetag in das nächste Spiel starten. Aus meiner Sicht ist das ein großer Vorteil.

baseball-bundesliga.de: Wie bereitest du dich auf die kommenden Playoffs vor? Wie sieht eine typische Woche bei dir aus?

Nadir Ljatifi: Meine typische Woche ist eigentlich immer gleich: Montags haben wir unseren Off-Day. Dort gehen wir eigentlich nur zum Physio. Ich arbeite noch als Trainer in der Akademie und für die Jugend- und Schülermannschaften. Ab Dienstag leite ich dann immer von 16 bis 18 Uhr das Nachwuchstraining und von 18 bis ca. 20:30 Uhr findet das Bundesliga-Training statt. Vorher gehe ich noch ins Jim oder jogge eine Runde. Und so sieht eigentlich jeder Tag aus, über das ganze Jahr.

baseball-bundesliga.de: In der Regular Season startet ihr meistens sehr stark im 1. Spiel und genießt oft eine schnelle und deutliche Führung. Nicht selten wird das Spiel sogar durch Mercy Rule vorzeitig beendet. Im 2. Spiel sieht es dagegen ganz anders aus: Ihr müsst euch eure Siege hart erkämpfen, meistens über die vollen 9 Innings. Zwei Beispiele: Zuhause gegen Dortmund am 23.4. habt ihr deutlich 15:0 im 1. Spiel gewonnen. Das 2. Spiel habt ihr erst im 10. Inning für euch entscheiden können. Eine Woche später in Berlin wurde nach einem deutlichen Sieg im 1. Spiel sogar das 2. Spiel im letzten Inning noch verloren. Habt ihr diese Situation mal im Team analysiert? Was denkst du, wie kommt das zustande?

Nadir Ljatifi: Ja, auf jeden Fall. Wir sind eine sehr junge Truppe – im Durchschnitt 21 oder 22 Jahre alt. Einge haben auch noch keine internationale Erfahrung gesammelt. Ein großes Problem im Team ist die Einteilung der eigenen Kräfte. Ein Doubleheader ist lang und anstrengend. Da muss man seine Kräfte sinnvoll einteilen. Ich glaube aber auch, dass wir teilweise mit einer falschen Einstellung in das 2. Spiel gehen. Nur weil man das 1. Spiel so eindeutig gewonnen hat, muss das im 2. Spiel nicht genauso einfach sein. Ich bin überzeugt, dass die Situation im 2. Spiel ganz anders aussehen kann, wenn wir uns mehr anstrengen.

baseball-bundesliga.de: Ausgehend davon, dass die Paderborn Untouchables im Finale um die deutsche Meisterschaft 2022 stehen: Dein Tipp, wer ist der Gegner und warum?

Nadir Ljatifi (antwortet scherzend): Ich würde gerne gegen Heidenheim im Finale spielen, da die uns die Jahre zuvor in den Viertel- und Halbfinalen immer den Hintern versohlt haben. Das sitzt tief in meinem Herzen und da träume ich manchmal sogar von. Das macht mich sehr traurig. Dieses Finale wünsche ich mir sehr. Und dann werden wir als Sieger vom Platz gehen.

Veröffentlicht in: Meldungen, Nachgefragt, Untouchables Paderborn
Veröffentlich von: Matthias Slovig. Matthias Slovig bei kontaktieren